Lebende Kreaturen

Ob Realität, Fantasie oder etwas dazwischen; Kreaturen werden in Irezumi zum Leben erweckt. Drachen wirbeln durch die Wolken, Tiger schleichen durch den Bambus und Karpfen kämpfen gegen den Strom. Die Designs sind auffällig, aber wie auch bei den Naturmotiven gibt es Regeln und Traditionen für lebende Kreaturen in Tattoos. Obwohl diese Tattoos bildlich sind und von jedem erkannt werden bedeuten sie umso mehr, wenn du ihre Geschichte kennst.

Tiger

Während Drachen und Phönixe mystische Kreaturen sind, dürften Löwen ebenso wie Tiger in Japan sehr typisch sein. Im 17. Jahrhundert wurden Bilder von Tigern mit der chinesischen Astrologie ins Land importiert. Seit japanische Künstler nicht mehr.

auf chinesische Motive, sondern auf reale Tiger blicken, bekommen ihre Designs mehr Style. Das Auge des Tigers zum Beispiel wurde unnatürlich groß und sehr ausdrucksvoll. In Irezumi und in der Kunst generell sind Tiger traditionell gelb und schwarz. Wie auch immer, als die Irezumi- Farbpalette sich erweiterte, begannen einige moderne Tätowierer auch Orange zu benutzen, was eher dem westlichen Stil entsprach. Die Farbe Gelb ist verbunden zu Macht, was gut passt. Chinesen glauben, dass ein Tiger-Tattoo für den Charakter eines Königs steht. Der Tiger wird oft zusammen mit Bambus oder auf Felsen kletternd porträtiert – beides repräsentiert Stärke. Irezumi-Tiger haben meist ihren Mund geöffnet um böse Geister zu verjagen. In der chinesischen Astrologie repräsentiert der Tiger den Wind, während der Drachen das Wasser ist. Kombiniert man also Wind und Wasser ergibt dies ein Feng-Shui Motiv. Dies erklärt vielleicht, warum die Kombination aus Drachen und Tiger im Zen-Buddhismus so beliebt ist und im Irezumi so bedeutungsvoll. 

Schutzhunde und Schutz -Löwen

Vor buddhistischen Tempeln und Shinto-Schreinen stehen Schutztiere aus Stein am Eingang Wache. In ihre Statuen sind Pfingstrosen eingearbeitet. Der Schutzlöwe ist auf der linken Seite des Schreins oder Tempels am Eingang positioniert. Er wird karaijashi genannt. Das bedeutet chinesischer Löwe. Eine männliche Kreatur welche Macht repräsentiert. Auch er hat seinen Mund geöffnet und seine Pfote ist auf der buddhistischen Perle der Weisheit platziert. Zu früheren Zeiten waren ein paar dieser Statuen der typische Schutz. Später war es ein Wachhund gepaart mit einem Wachlöwen. Dieser sitzt auf der rechten Seite des Schreins oder Tempels am Eingang. Er hat den Mund geschlossen und wird koma-inu oder auch koreanischer Hund genannt. Gemeinsam wehren sie das böse ab und repräsentieren Ying und Yang in einer Ballance. Diese nennt man auch ah-un-Set. Ah ist der erste Buchstabe des Alphabets Sanskrit und das Geräusch das man hört, wenn jemand in Japan seinen Mund öffnet. Un ist der letzte Buchstabe im Alphabet des Sanskrits und das Geräusch das Japaner mit dem Schließen des Mundes verbinden. Dieses Thema findet sich in der japanischen religiösen Kunst überall wieder. 

Es ist üblich, Tiere genauso wie Götter und Helden im Irezumi zu kombinieren. Sowohl der Schutzlöwe als auch die Pfingstrose kommen ursprünglich aus China, was erklärt warum sie immer traditionell verbunden werden. In Irezumi nennt man das karaijashi botan. Es symbolisiert Stärke, Schönheit und Heilung. Die Geschichte sagt, dass das Essen einer Pfingstrose, einer medizinischen Pflanze, den Schutz-Löwen von seinen Krankheiten heilt. Einige nennen den mythischen karaijashi den König der Bestien, was passt, weil die Pfingstrose als Königin der Pflanzen bekannt ist. Ebenfalls kombiniert werden die beiden Tiere mit den Kirschblüten, da sie an Tempeln und Schreinen ebenfalls gepflanzt werden. 

Füchse

Der Fuchs (Kitsune) wird verbunden mit dem formlosen Shinto deity Inari, der manchmal als Mann, manchmal als Frau und manchmal ohne Geschlecht auftritt. Inari ist nicht nur der Gott des Reises, des Sake Weins und der Fruchtbarkeit, sondern auch der Gott der Metallarbeiter und des Handels. 

Steinfuchsstatuen stehen in Japan sehr häufig. Die rein weißen Füchse sind nicht nur Boten Gottes, sie beschützen und bewachen auch die Schreine. Außerdem tragen sie die Konnotation von Gesundheit und Fruchtbarkeit. In Japans Folklore glaubt man sie hätten die Fähigkeit sich in Menschen zu verwandeln.

Drachen

Während der europäische Drachen eher eidechsenähnlich ist, ist der japanische Drachen wie andere Drachen in Asien meist eher Schlangenartig. Es gibt den Shinto Gott Susano-o der einen achtköpfigen Drachen jagt. In der japanischen Folklore wird der Drache oft austauschbar mit einer Schlange verwendet. Die Drachen kamen im siebten Jahrhundert in die mythische Geschichte Japans. Der Drache ist eigentlich eine Kombination aus verschiedenen Tieren. Er hat den Kopf eines Kamels, die Augen eines Hasen, die Hörner eines Hirschs, die Schuppe eines Karpfens, den Körper einer Schlange, die Pranken eines Tigers und die Krallen eines Adlers. Dort hält er einen Juwel und in manchen anderen Mythen eine Perle des Wissens. 

Chinesische und japanische Drachen ähneln einander nur teilweise. Beide sind mit Wasser verbunden und haben schlangenähnliche Körper. Japanische Drachen sind schmaler und haben drei Klauen statt fünf. Sie werden als Symbole oft vor Shinto Schreinen an den Waschbecken gefunden. Sie mögen keinen Schmutz und beschützen gegen Krankheiten. Die meisten Irezumi Motive zeigen schwimmende oder fliegende Drachen und werden mit Gottheiten oder Helden kombiniert. Die berühmteste Kombination sind Drache und Tiger, weil beide Spezies sehr machtvoll und stark sind. Der eine herrscht doch über die Wolken und Wasser, während der andere an Land herrscht.

Schlangen

Die Deutungen der Reptilien sind komplex und verschieden. Die Schlange wird als falsches und sexuelles, wenn auch gefährliches Symbol betrachtet. Wie der Drachen ist sie eine Schutzkreatur und mit dem Wasser verbunden. In der Vergangenheit wurde sie auch für Unsterblichkeit genutzt. Es gibt Schreine die der weißen Schlange gewidmet sind. Weiße Schlangen, in Japan selten gesehen, sagen eine gute Zukunft voraus. Da Schlangen in den kalten Monaten in ihren Höhlen bleiben ist es nur logisch sie mit dem Frühling zu kombinieren. Kombinationen der Schlange mit dem Winter ergeben keinen Sinn, da die Schlange im Winter nicht über der Erde zu sehen ist. 

Der Phönix

Im ursprünglichen China ist der Phönix eine Kombination aus verschiedenen Vögeln, der sich selbst den Spitznamen „König der Vögel“ verdiente. Daher wird er oft mit der Pfingstrose, der Königin der Blumen, vereint dargestellt. Dies ist nicht der Phönix aus der griechisch-romanischen oder ägyptischen Welt, der aus der Asche aufersteht. Vielmehr erscheint er, wenn ein Herrscher fair und gerecht ist. In China ist er ein Mischtier. Mit dem Kopf eines goldenen Fasans, dem Körper einer Mandarinente, dem Schwanz eines Pfaues und den Flügeln einer Schwalbe. Er wird im ältesten Wörterbuch aus dem dritten Jahrhundert beschrieben mit einem Fischkopf, einem Schlangennacken, dem Rücken einer Schildkröte und dem Kopf eines Vogels. Zum Glück hat sich dieses Bild bis heute nicht durchgesetzt. 

Die Kreatur wurde nach Japan importiert und ist bereits in Metallkünsten des sechsten Jahrhunderts zu finden. Er steht für männliche und weibliche Personen, Sonne und Mond, Dunkelheit und Licht. Der Vogel an sich wird als weiblich angesehen, weshalb er mit dem Drachen verbunden wird, welches ein männliches Symbol ist. Die Kombination wird oft auf Eheringen oder Einladungen verwendet. Manchmal erscheinen sie in Harmonie, aber manchmal stoßen sie auch die Köpfe aneinander. Drache und Phönix zusammen symbolisieren Balance, Fairness und Stärke, gepaart mit Intelligenz und Kampfkraft

Der Kirin

Im alten China war es üblich, alte Tiere miteinander zu kombinieren, um neue zu entwerfen. Wie auch der Drache ist der Kirin ein Beispiel hierfür. Ein mystisches gehörntes Misch-Masch aus Kreaturen mit Hirschgeweih, einem Drachenkopf, gespaltenen Hufen, Karpfenschuppen und einem Löwenschwanz. Wie die Drachen können Kirin fliegen. Er ist ein Zeichen guter Dinge die kommen sollen. Sie erscheinen ebenfalls nur, wenn Herrscher gerecht sind und sie werden oft mit der Pfingstrose kombiniert. Außerdem symbolisieren Kirin einen hohen Rang und Langlebigkeit, Gerechtigkeit und Weisheit und – seit 1885 – japanisches Bier.

Der Koi

Für die Japaner gibt es keinen mutigeren oder männlicheren Fisch als den Karpfen oder auch Koi. Kois werden oft kombiniert mit Ahornblättern, einem alten Motiv, dessen Bedeutung mehrere 100 Jahre zurück liegt. Der Fisch hat starke Verbindung zum Thema Frühling, weil immer am 5. Mai in Japan Karpfendrachen von Vätern und Söhnen steigen gelassen werden, um auszudrücken, dass sie hoffen das ihre Kinder stark und gesund werden. Der schwarze Karpfen, genannt magoe, repräsentiert den Vater, der rote Karpfen oder higoe ist die Mutter und der blaue Karpfen, genannt kogoe, ist das Kind. Diese Farben können beim tätowieren genutzt werden um die Beziehung zwischen den Menschen zu zeigen und sie zu identifizieren oder um Ying und Yang Designs mit schwarz und rot im Kreis schwimmenden Karpfen zu kreieren. 

Der Octopus

In heutigen Zeiten wird das Bild eines Octopus oft mit sexuellem Hintergrund betrachtet. Dies verdanken wir der lächerlichen Suggestion von beim Sex verwendeten Tentakeln in Mangas, Animes und Videospielen. Das Motiv aber ist nicht neu. Es ist eins von Japan berühmtesten und von einem respektierten Künstler, Hokusai, importiert worden. Der Octopus wird sowohl niedlich als auch im Comicstil dargestellt. Die Japaner sehen in ihm eine Art Unterwasser- Meeresdrachen.

Kraniche

Sie sind in der Lage zwischen Himmel und Erde zufrieden. Der Kranich repräsentiert Frieden und Langlebigkeit und ihm wird nachgesagt tausende von Jahren leben zu können. In der Realität werden sie nicht selten zumindest 60 Jahre alt. Nach japanischem Glauben werden deine Träume wahr, wenn du 1000 Origami Kraniche innerhalb von einem Jahr faltest. Origami Kraniche falten kann fast jeder Japaner. Das lernen sie bereits, wenn sie klein sind. Angehende Astronauten müssen noch heute im Bewerbungsprozess Kraniche falten um ihre Tauglichkeit zu beweisen.

Obwohl der mythische Phönix ein Machtsymbol ist und er als König der Vögel bekannt ist, ist er nicht der beliebteste Vogel in Japan. Diese Ehre geht an den Mandschurenkranich. Er wird verbunden mit dem kaiserlichen Haushalt und sogar in der Werbung verwendet. Auch japanische Airlines benutzen ihn als Logo. Rot, natürlich weil es mit der japanischen Sonne verbunden wird und der Kranich eine rote Krone hat. Es gibt keinen besseren Vogel um die japanische Sensibilität zu symbolisieren. So wird der Vogel oft mit der japanischen roten Sonne kombiniert, wie auch mit der Schildkröte, welche die Langlebigkeit repräsentiert. In Japan sagt man Kraniche würden 1000 Jahre lang leben und eine Schildkröte 10.000 Jahre lang. Beides zu kombinieren ist sehr Ausdrucksvoll um Langlebigkeit darzustellen. Der Kranich kann mit dem immergrünen Bambus kombiniert werden, der ebenso für die Langlebigkeit steht. Außerdem ist der Kranich ein Symbol der Treue.

Krähen

Die Krähe ist kein klassisches Motiv im Irezumi. Dennoch hat sie in den japanischen Tattoos in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Sie taucht in vielen japanischen Texten auf. Eine Krähe, genannt Yatagarasu, hat den ersten Entdecker geleitet. In der japanischen Kunst ist die Krähe umgeben von Licht. Die Original Texte sagen nicht, dass der Vogel drei Beine hätte, aber das dreibeinige Design setzte sich später immer mehr durch. Heute werden Krähen meistens eher Beängstigend betrachtet. Die Krähe wird oft zusammen mit der aufgehenden Sonne dem Motiv eines Shinto Schreines dargestellt. Außerdem ist sie das Symbol des japanischen Nationalen Fußball Teams. 

Falken und Adler

Zunächst ist zu bemerken, dass die japanische Sprache dasselbe Wort, Taka, für beides benutzt. Der optische Unterschied ist, dass Falken einen gekerbten Schnabel haben, Adler nicht. Adler sind stark. Dies erklärt warum der Vogel solange das Symbol der Samurai war und ein beliebtes Design für die Kimono der Männer.

Das Motiv steht in seiner Bedeutung für die Möglichkeit getötet zu werden oder zu Töten. Thematisch geht es aber noch tiefer und oft werden die beiden kombiniert. Zusätzlich gibt es die Bedeutung des Glücksbringers in Japan. 

Schmetterlinge

Grazie, elegant, schön. Im modernen Japan sind Schmetterlingstattoos für Frauen sehr beliebt. Sie werden als weiblich angesehen. In der Vergangenheit wurden sie tatsächlich von Kriegern verwendet um sich für die Kämpfe zu stärken und sie wurden das Symbol eines berühmten Samurai Clans. Dies lag an der Langlebigkeit und der Seele die vom Leben in den Tod übertragen wird. Schmetterlinge sind ein ideales Einzeltattoo sie können aber auch in größere Designs eingefügt werden.

Spinnen

In Japan hat die Spinne verschiedene Bedeutungen. Sie wird als hart arbeitendes Lebewesen betrachtet und auf dem Land als lohnbringend, weil sie Insekten fangen und fressen. Die besonders großen Spinnen heißen tsuchigumo. Diese Spinnen sind Gestaltenwandler. Einige von ihnen fressen Menschen. 

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